Sensationelles Fotoarchiv kommt nach Bremen

Die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen hat wichtige Teile des fotografischen Werks von Ivan Kyncl über die Verfolgung von Dissidenten in der Tschechoslowakei erhalten.

Nach mehrjährigen Verhandlungen übergab in der vergangenen Woche Alena Melichar, Witwe des bekannten tschechischen und im britischen Exil verstorbenen Fotografen Ivan Kyncl, bei einem Treffen in London den Teilnachlass seines fotografischen Œuvres an die Bremer Forschungsstelle Osteuropa. Ivan Kyncl (geb. 1953 in Prag – gest. 2004 in London) erlangte internationales Renommé mit spektakulären Fotografien und Filmaufnahmen über die staatliche Verfolgung von Dissidenten in den 1970er Jahren in der Tschechoslowakei. Seine Fotografien von Václav Havel, František Kriegel oder Ota Bednářová erschienen in allen großen Tageszeitungen weltweit. Bis zu seiner erzwungenen Emigration 1980 nach Großbritannien schuf Ivan Kyncl über 20.000 s/w-Negative. Mit viel Glück gelang es ihm, sein Fotoarchiv vor dem Zugriff der Staatssicherheit zu retten und in den Westen zu schmuggeln.

Während Kyncls Fotografien und Filme damals den Dissidenten als "Waffe" im Kampf gegen die kommunistische Diktatur dienten, stellen sie heute zeit- und kulturhistorische Dokumente von unschätzbarem Wert dar. Sein Werk liest sich wie eine Bilder-Chronik, in der die Entstehungsgeschichte des tschechoslowakischen Dissens‘ der 1970er Jahre mit ihren politischen und künstlerischen Akteuren, den konspirativen Treffpunkten und Schlüsselereignisse systematisch und atmosphärisch dicht festgehalten ist. Seine historische Einzigartigkeit und fotografische Originalität erhält Kyncls Werk vor allem durch das Konvolut von mehreren hundert Fotografien, das die ausgeübte staatliche Gewalt gegenüber politisch Andersdenkenden dokumentiert. Kyncl gelang es, für den von Repression bestimmten Alltag von Dissidenten eine - auch für ein ausländisches Publikum - eindeutige Bildersprache zu finden. Damit stellt er ein absolutes fotografisches Ausnahmetalent dar.

Inhaltlich ist der Kyncl-Nachlass für das Bremer Archiv, das die europaweit umfangreichste Sammlung zum politischen und kulturellen Widerstand aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks beherbergt, ein bedeutender Zugewinn. Nicht nur als Erweiterung der tschechoslowakischen Bestände, sondern auch als ein ‚Quantensprung‘ auf dem Weg zum Aufbau eines digitalen Bildarchivs zur Zeit- und Kulturgeschichte Osteuropas. In den kommenden Monaten sollen die Negative geordnet und möglichst rasch für die Forschung aufbereitet werden. Für die breite Öffentlichkeit ist für das kommende Jahr eine Ausstellung angedacht.

Quelle: Pressestelle der Universität Bremen via Informationsdienst Wissenschaft (idw)


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